Die Geschichte, wie Gerd dick wurde und einen Sprachfehler aufwies.

Gerd steht zum Beispiel an einer Straßenbahnhaltestelle; In Kürze wird der Zug Einzug halten, so dass Gerd aufgeregt ist.
Denn er weiß: er hat ein Problem.
Dieses verhält sich folgendermaßen: Der Straßenbahnfahrer hat es auf ihn abgesehen.
Immer wenn Gerd zum Beispiel an einem bestimmten Platz am Straßenbahnsteig steht, der eine Gesamtlänge von ausprobierten hundertzehn Schritten aufweist.
Heute ist es bei Schritt fünfunddreissig, was schon von einem gewissen Problembewusstsein und dem eisernen Willen, es zu überwinden, gelten muss.
Da hält der Führer absichtlich so, dass die Bahn genau zwischen zwei
Einstiegsmöglichkeiten zum Stehen kommt.
Nun drängt sich folgendes Dilemma auf: in die Richtung welcher Tür soll sich Gerd bewegen.
Zu allem Überfluss ist er mit einer Aktentasse bepackt, die voller Akten ist, die dringend bearbeitet werden wollen und müssen.
Eine Akte handelt gerade von einem Klienten, der eine bestimmte Anzahl von Geldmitteln überschritten hat, so dass ihm nun massive Schwierigkeiten von Seiten des Kreditinstitutes drohen, bei dem Gerd unter Beschäftigung steht.
Dass Gerd Herr Wimmerlich heißt und beim ortsansässigen Bankhaus angestellt ist, ist hiermit unfreiwillig verraten.
Der Leser ist angeheissen, es aus Datenschutztechnik in Bälde wieder zu vergessen.
Der Umstand überspitzt die Lage noch mehr zu, denn das erwähnte Gebäude befindet sich nur zwei Haltestellen nach dieser etwas traurigen Begebenheit, die aber glücklicherweise mit mir nichts zu tun hat.
Was soll er tun?
Soll er bei seiner Mutter einziehen?
Einen Moment war er unachtsam und dachte über die neue deutsche Rechtschreibung nach und wann das Scharfe S nun benutzt wird und wann nicht. Dann sofort wieder: Was soll er tun?
Die Frage bohrt sich in sein Gedächtnis, mit der Folge, dass er erstens Einschlafschwierigkeiten erworben hat, die ihn zu erhöhtem Essverhalten befleißigen und letztlich zu Dicksein führen und zweitens, dass er sich nicht entscheiden kann, was er tun soll.
Denn die Richtigkeit seiner Handlung ist immerhin theoretisch und innerhalb eines sehr geringen Handlungsspielraumes möglich.
Wenn er etwa nach links geht, kann folgendes passieren: Er geht nach links und plötzlich wächst die Menschentraube vor der Eingangstür aus der Richtung, die er vorher nicht einsehen konnte, nämlich von ihm aus gesehen hinter der Tür, so
dass er nicht rechtzeitig Einstieg findet und der Straßenbahnführer ohne ihn hinfortfährt.
Denn dies ist besonders unschön, weil die Tür rechts von Gerds Standpunkt indessen völlig unbenutzt daliegt.
Der Zug ist also enteilt, ohne Gerds Eingestiegensein und vor allem, ohne dass sein Nicht-eingestiegensein nötig gewesen wäre.
Gerd wird also im Laufe der Zeit immer dicker.
So gesellt sich ein weiteres Problemfeld zum ersten: er kann nicht so schnell rennen und befürchtet, die beiden ihm nötigen Sitzplätze nicht mehr erwerben zu können, die nebeneinander liegen. Auch schlägt die Evolution nun zu oder zurück, denn sein sprichwörtliches Händchen bei den Frauen läßt merklich nach.
Gerd stellt sich dahin, wo letzthin genau die Tür war.
Er hat am vorhergehenden Tag aus Raffiniertheit die Stelle genau bemerkt, ein Bonbonpapier, das ihm wie ein guter Bekannter oder sogar dicker Freund vorkommt, ziert die Stelle.
Der schlanke Fahrer bremst absichtlich erst später ab und hält so ungeschickt, dass sich Gerd wieder genau im Toten Winkel der Ein- und Ausstiegstüren befindet.
Gerd weiß nicht wie er sein Leben anpacken soll.
Er fragt, wer ihm helfen kann, denn es ist dringend. Er hat schon einen Stottern und einen Sprachfehler.
Er traut sich nicht, seine Mutter anzurufen.